Dienstag, 28 März 2023
Mineralische Untergründe
Anforderungen und Lösungen
Stahl im Trinkwasser
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Funktionalität von Epoxidharzsystemen


Die Spanne der verschiedenen Auskleidungs- und Beschichtungssysteme nach dem DVGW Arbeitsblatt W 300 - 3 reicht von den diffusionsoffenen, zementgebundenen Materialien mit Vollverbund zum Untergrund bis zu den diffusionsdichten Edelstahl- und Kunststoffplatten bzw. Dichtungsbahnen mit nicht porösen, beständigen und glatten Oberflächenqualitäten, allerdings ohne Vollverbund zum Untergrund. Der volle Verbund zum Untergrund bietet den Vorteil, dass es nicht zu Hinterläufigkeiten und Totwasserzonen kommen kann. Zudem wird verhindert, dass es zu Schädigungen kommt, indem Wasser von der Außenseite nach innen strömt, Kondenswasser anfällt oder im Zwischenraum mikrobiologischer Bewuchs entsteht. Der direkte Verbund erlaubt die permanente visuelle Kontrolle. Sollte es im Untergrund zu Effekten wie Rissbildungen oder Korrosionserscheinungen der Bewehrung kommen, können diese anhand der Oberflächeneffekte erkannt werden. Besonders effektiv können Veränderungen bei farblich homogenen und glatten Oberflächen wahrgenommen werden.

Zwischen diesen beiden Endpunkten sind die Polymerbeschichtungssysteme angesiedelt. Sie vereinen die Vorteile des Vollverbundes zum Untergrund, der über eine sehr gute Haftung zum Beton gewährleistet wird, mit den Vorteilen von Platten- oder Folienauskleidungen (Abb. 1).
  • stAbb.1-zugeschnitten
Bild 1: Vollverbund Epoxydharzbeschichtung auf Beton. Der Betonuntergrund wurde durch Eintauchen des Gesamtaufbaus in Salzsäure weggelöst. Das salzsäurebeständige Epoxydharzsystem bleibt wie eine Platte neben der eingebundenen Übergangszone zum Beton unangetastet erhalten.
 
 
  
 
 
Weil die Systeme in flüssiger Form verarbeitet werden und auch in sehr dünnen Schichten auf vielen Untergründen haften, sind geometrisch anspruchsvolle Untergründe und Materialübergänge im Vergleich zu Platten und Folienauskleidungen kein Problem (Abb. 2, Abb. 3). Auf der Abbildung 2 ist deutlich zu sehen das bei kleinteiligen Geometrien bei der Verarbeitung von Folien hohes handwerkliches Geschick erfordert. Hingegen der Verklebung von Folien,ist es möglich mit den flüssigen / pastenförmigen Epoxydharzsystemen auch Anschlüsse, Treppen, Kaskaden usw. sehr gut ausarbeiten.
 
 
  
 
  • stAbb. 4
Das Funktionsprinzip der polymeren Epoxidharzbeschichtungen beruht auf ihrer hohen Diffusionsdichte. Der Durchtritt von Wasser, gelösten Schadstoffen oder auch Gasen wird verhindert und der jeweilige Untergrund zuverlässig gegen schädliche Einflüsse geschützt. Diese Eigenschaft wird besonders deutlich beim Einsatz von Epoxidharzen in dünnen Schichten als Korrosionsschutz für schnell korrodierende Untergründe wie z. B. Stahl. Die Beschichtung schirmt die Untergründe hermetisch ab und entzieht sie jeglicher Exposition (Abb. 4).
  
  
 
Folgerichtig ist im W 300 - 3 Tab. 5 bei Auskleidung mit polymeren Beschichtungen keine Expositionsklasse für den Untergrundbeton angegeben. Durch den vollständigen Abschluss der Oberflächen kommen Auslaugungs- und Carbonatisierungsprozesse zum Erliegen. Konsequenterweise sind Anforderungen an die Betondeckung im W 300 - 3 Tab. 5 auf das statisch notwendige Maß von mind. 10 mm bzw. Stabdurchmesser reduziert. Die geforderte 5 mm starke alkalische Überdeckung bildet die statistische Sicherheit ab, dass sich die Bewehrung noch im alkalischen Bereich befindet. Für den Korrosionsschutz der Bewehrung besteht nicht die Notwendigkeit, die Betondeckung mit zementgebundenen Materialien zu erhöhen. Der künftige Korrosionsschutz der Bewehrung wird durch die Dauerhaftigkeit der Epoxidharzschicht gewährleistet. Unterschiedliche Wasserqualitäten, Strömungsverhältnisse und wechselnde Wasserbelastungen, die bei zementgebundenen Oberflächen schnell zu Schädigungen führen können, haben keine negativen Einflüsse auf die Beschichtungen und erreichen damit auch nicht die Bewehrungen.

Ebenso zuverlässig funktioniert diese Barrierewirkung in Richtung vom Untergrund ins Trinkwasser und schützt dieses vor potentiellen Untergrundeinflüssen. Derzeit wird beispielsweise die absperrende Wirkung gegenüber PCB Kontaminationen aus dem Untergrund wissenschaftlich untersucht.
 
 
  • Gebrauchstauglichkeit

    Die Qualität der ausgehärteten Materialmatrix ist anders als bei zementgebundenen Materialien nicht von Nachbehandlungen wie ausreichendes Feuchthalten abhängig. Dieser Vorteil ergibt sich aus dem Umstand, dass alle für eine Aushärtung benötigten Komponenten in den richtigen Mischungsverhältnissen im Material vorhanden sind und nicht durch Umgebungsbedingungen verloren gehen können. Bei den zementgebundenen Materialien wird bei zu geringer Luftfeuchtigkeit oder zu trockenen Untergründen dem Härtungsprozess Wasser entzogen. Daher gibt es Anforderungen an Untergrundfeuchtigkeit und Nachbehandlung, um Haftungs- und Oberflächenprobleme zu verhindern. Bei den Epoxidharzbeschichtungen können die einmal eingestellten Klima- und Untergrundbedingungen über die gesamte Bauphase gleich bleiben, was technisch zu handhaben und einfach zu kontrollieren ist. 
     

    • stAbb. 5
    Die glatte, nicht poröse Oberfläche verhindert das Eindringen und Absetzen von chemischen Stoffen und biologischen Materialien in der Oberfläche. In Abhängigkeit von der Wasserqualität kommt es maximal zu einer oberflächlichen Belegung, wie es auch bei anderen inerten Materialien wie Glas oder Edelstahl der Fall ist. Entsprechende chemische und mechanische Hilfsmittel können beim Reinigen und Desinfizieren eingesetzt werden, ohne nachteilige Auswirkungen auf die Dauerhaftigkeit der Oberflächen befürchten zu müssen. Die geschlossene Struktur verhindert das Eindringen von Substanzen. Sie stehen damit in der zugefügten Menge für die beabsichtigte Wirkung zur Verfügung und können auch nicht als Depot für Nachverkeimungen dienen (Abb. 4). Einschränkend muss erwähnt werden, dass höhere Konzentrationen an Ozon oder Chlordioxid die Oberfläche der Beschichtung angreifen können. In diesen Fällen muss der Einsatz mit dem Hersteller abgeklärt werden. 
     

     Die gute Reinigungsfähigkeit der Oberflächen wird vor allem vom Betriebspersonal vor Ort geschätzt, da im Vergleich zur Reinigung zementgebundener Oberflächen die Arbeiten wesentlich müheloser, schneller und im Ergebnis sehr gut kontrollierbar durchgeführt werden können. Neben der guten Planbarkeit, der sicheren Wiederinbetriebnahme und den praktischen Vorteilen führen diese Eigenschaften effektiv zur Senkung der Reinigungs- und damit der Betriebskosten (Abb. 5).

 
  • stAbb. 6
Die gute mechanische Stabilität und Verschleißfestigkeit der Polymere wird durch ihren Einsatz als Industriebodenbeschichtung, im Bereich der Windenergieanlagen oder im Bootsbau belegt. Im Trinkwasserbereich ermöglicht Sie den schadlosen Einsatz hoher Drücke bei Reinigungsarbeiten oder die Auskleidung von Bereichen mit hohen Strömungsgeschwindigkeiten. Abb. 6 zeigt eine große Wasserpumpe, die 10 Jahre in Betrieb war. Trotz der hohen Strömungsgeschwindigkeiten zeigt die Beschichtung keinerlei Abnutzung.
 
Problemlösungspotential
Neben der allgemein guten Einsatzperformance wirken sich die Materialeigenschaften der Epoxidharze bei folgenden Problematiken besonders positiv aus.

Geringe aufzutragende Materialstärken, kleine Elastizitätsmoduln der Bindemittel, geringer Schrumpf, dessen Spannungen zu 90 % im Gelstatus abgebaut werden sowie die gute Oberflächenbenetzung und Haftung auf den verschiedenen Untergründen prädestinieren für den Einsatz auf vielen, besonders auch kritischen Untergründen.

Geringes spezifisches Gewicht und niedrige Schichtstärken bedeuten ein geringes Flächengewicht. Eine vergleichbare Schutzwirkung ist bei zementgebundenen Materialien nur mit sehr viel schwereren Aufbauten zu erreichen. In Deckenbereichen kann sich aus statischen Erwägungen heraus der Einsatz von zementgebundenen Auskleidungen verbieten oder mit zusätzlichem Bewehrungsbedarf verbunden sein. 
 
  • stAbb. 7
Übergänge zu Armaturen, Rohrleitungen oder funktionellen Einbauten sind ohne Probleme und in unterschiedlichsten Schichtstärken (Mörtel-, Spachtel-, Beschichtungsmaterialien) ausführbar (Abb. 7). Anschlüsse zu PE-/PP-Materialien oder Dichtungsbahnen sind über entsprechende Konstruktionen und Materialien machbar. Bei technischen Änderungen oder Anpassungen sind die kurzen Aushärtezeiten und die problemlose Überarbeitbarkeit bestehender Flächen vorteilhaft.

So erwünscht glatte Flächen im Trinkwasserbereich sind, finden sie gelegentlich ihre Grenzen, wenn es um Arbeitsschutzbelange in Boden- oder Treppenbereichen geht. Durch Abstreuen der noch flüssigen Beschichtung mit Granulat verschiedener Körnung und unterschiedlichen Versiegelungstechniken mit trinkwassertauglichem Material lässt sich eine breite Palette an Rutschfestigkeiten von R 9 bis R 13 einstellen.

Sollte der Untergrund chemische oder biologische Kontaminationen aufweisen, die das Trinkwasser negativ beeinflussen können, gilt zunächst der Grundsatz, dass diese vor Aufbringen eines Auskleidungssystems zu entfernen sind. Bei der porigen und möglicherweise lunkerhaften Struktur von Betonuntergründen kann das einen wirtschaftlich unzumutbaren, möglicherweise technisch unnötigen Aufwand bedeuten. Beispielsweise können trinkwasserschädliche Substanzen in den Untergrund eingedrungen und von dort nur über Betonabtrag sicher zu entfernen sein. Die sehr dichte Struktur von Epoxidharzsystemen kann eine technisch nachvollziehbare Lösung bieten. In solchen Fällen sieht das Regelwerk W 300 - 3 die Möglichkeit vor, das ein Sachverständiger die diesbezügliche Eignung des gewählten Instandsetzungskonzeptes überprüft und ggf. ein in den Betriebsablauf zu integrierendes Monitoring festlegt (Gutachterlösung). 
  
  • stAbb. 8
Bei zementgebundenen Untergründen wird die biozide Wirkung der hohen Alkalität des zementgebundenen Untergrundes gelegentlich als Argument gegen Bewuchs angeführt. Bei Wässern und Anlagen mit Verkeimungs- und in der Folge Aufwuchsneigungen reicht die biozide Alkalität des mineralischen Untergrundes nicht, um eine Besiedlung zu verhindern. Die Alkalität ist zwar im zementgebundenen System vorhanden, geht aber an der Oberfläche durch die Carbonatisierung unter dem Einfluss von Kohlendioxid verloren. Sie bietet daher keinen Schutz, wenn andere Oberflächenparameter eine Besiedlung begünstigen. Allenfalls wird ein Vordringen in die alkalische Zone verhindert (Abb. 8). 
 
  • stAbb. 9
Ist die Oberflächenaufweichung bereits fortgeschritten oder die alkalische Betondeckung für den zukünftigen Korrosionsschutz der Bewehrung unzureichend, bietet eine Beschichtung mit Epoxidharzen im Rahmen der im W 300 - 3 festgelegten Voraussetzungen, eine sehr interessante, regelkonforme und innovative Alternative zu den konventionellen Systemen, da sie im gleichen Preissegment liegt wie die favorisierten, dickschichtigen Zementmörtelauskleidungen (± 15 mm). Die Qualität der Oberfläche wird nachhaltig erhöht und bedingt den zukünftigen Korrosionsschutz der Bewehrung. Die Beständigkeit der Bindemittelmatrix liegt im Niveau weit über dem Angriffspotential aggressiver Betriebsbedingungen. Daher haben die Verhältnisse, die zur Aufweichung der bestehenden Oberfläche führten, zukünftig keinen Einfluss mehr auf den Untergrund.
Die Ziele des Schutzes der Konstruktion und funktioneller Oberflächenvergütung ergänzen sich optimal (Abb. 9). 
 
 
Marktrealität

Jahrzehntelang wurden vom DVGW nur zementgebundene Oberflächen für den Kontakt mit Trinkwasser empfohlen. Das bereitet alternativen Werkstoffen bis heute große Akzeptanzprobleme. Durch die Aufnahme ins Regelwerk besteht die Hoffnung, dass die altbekannten Argumente, die den heutigen Materialien nicht mehr gerecht werden, auf Dauer durch unvoreingenommene Betrachtungen ersetzt werden. Das ist auch zu hoffen für die diffuse Besorgnis vor dem Material „Kunststoff“, die geschürt wird von immer wieder aktualisierten Auflagen der Diskussionen unterschiedlichen Ursprungs um Teilaspekte, wie Bisphenol A oder Epichlorhydrin, die eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema sehr erschweren.

Bei näherer Betrachtung enthalten auch viele zementgebundene Beschichtungen für den Trinkwasserbereich durchaus kunststoffhaltige Modifizierungen, um die gewünschten technischen Eigenschaften zu realisieren. Im W 300 - 4 sind 4 Typen von zementgebundenen Beschichtungen definiert. Die am höchsten modifizierte Type 4 kann insgesamt bis zu 25 % Betonzusatzmittel nach Din EN 934-2 und kunststoffhaltige Zusätze pro Zementäquivalent enthalten. Durch die unterschiedlichen Dichten von Zement und organischem Material ist der Volumenanteil am Bindemittel entsprechend höher. Dennoch sind für die kunststoffmodifizierten, zementgebundenen Beschichtungen nach wie vor keine spezifischen Migrationsprüfungen vorgesehen. In Bezug auf organische Materialien wird neben der Prüfung nach W 270 lediglich der Summenparameter der Gesamtmigration (TOC) bestimmt, obwohl es sich hier um einkomponentige Emulsionen oder Dispersionen handelt. Für die zweikomponentigen Epoxidharzmaterialien gibt es über die „UBA-Beschichtungsleitlinie“ starke Einschränkungen in der Rohstoffauswahl. Zusätzlich bestehen hohe Anforderungen in Form von Grund-, Zusatz- und Migrationsprüfungen mit stoffspezifischen Grenzwerten, für alle Bestandteile unabhängig von ihrem Massenanteil. Trotz dieser Fakten ist eine Veränderung der Bewertung im Markt gegen „zementierte“ Ansichten mehr als schwierig.

In das DVGW Arbeitsblatt W 300 - 3 wurden die zementgebundenen Typen sowie die weiteren im Markt gängigen Auskleidungssysteme übernommen, in Auskleidungsprinzipien gegliedert und dafür Anwendungsgrundsätze formuliert. Im W 300 T 5 sind Anforderungen und Prüfungen hygienischer und technischer Art für die verschiedenen Auskleidungsmaterialien inkl. Fremd- und Eigenüberwachung definiert.
Parallel dazu wurden Fachbetriebsanforderungen im W 316 [2] festgelegt, die über Prüfungen und Audits kontrolliert werden. Enthalten sind Anforderungen an Organisation, Ausstattung, Dokumentation und Mitarbeiterweiterbildung, die einen allgemeinen sowie einen werkstoffspezifischen Teil beinhalten.
Um Eignung der Materialien und Sicherheit der Verarbeitung auf ein hohes Niveau zu heben, wurde auf regulatorischer Seite ein erheblicher Aufwand betrieben. In der Folge erfordert das große Anstrengungen und Investitionskosten auf Seiten der Materialproduzenten und ausführenden Unternehmen. Diese Kosten, die für die Qualitätssicherung der Produkte und der Verarbeitung investiert werden, müssen durch die am Markt zu erzielenden Preise gedeckt werden, wenn sich das Zertifizierungssystem durchsetzen und Bestand haben soll.
Im Markt werden die Anforderungen grundsätzlich begrüßt, aber Aufträge relativ häufig allein nach dem Kriterium des niedrigsten Preises vergeben. Hier machen sich aus Sicht des Verarbeiters Umstrukturierungen bei den vergebenden Unternehmen bemerkbar. In der Vergangenheit gab es bei der Systemauswahl und der Vergabe einen stärkeren Einfluss der Praktiker und Techniker. Die Maßnahmen wurden ganzheitlicher betrachtet und im Wesentlichen oft von eigenen Fachleuten geplant und begleitet. Heute werden zunehmend viele Planungsleistungen und Bauleitungstätigkeiten extern vergeben. Im Prinzip ist das eine gute Sache, da die deutlich gestiegenen formellen und fachlichen Anforderungen von Fachplanern und Fachfirmen sicher besser erfüllt werden können, als von Mitarbeitern der Auftraggeber, die sich nur für einzelne, nicht häufig vorkommende Maßnahmen mit der speziellen Problematik auseinander setzen müssen. Durch die zusätzliche Schnittstelle des Planungsbüros, für die es bisher keine Zertifizierungsmöglichkeit gab und das u. U. wenig Erfahrung mit Trinkwasserbehältern haben kann, wird der direkte Bezug der vergebenden Stelle mit der Gesamtproblematik der Baumaßnahme deutlich geringer. Parallel nimmt eine Niedrigpreismentalität zu.

 
  • stAbb. 10
Bei der Vergabe von Aufträgen haben Einkäufer und Controller, ohne ausgeprägten technischen Hintergrund, einen steigenden Einfluss auf die Budgetierung und die Vergabeentscheidung. Dadurch verschieben sich die Entscheidungskriterien zu Gunsten der finanziellen Aspekte. Hinzu kommen unterschiedliche Kostenstellen und Budgets für Instandhaltung, Neuanschaffung und allgemeine Betriebskosten. Wenn durch diese Konstellationen der Blick für die Gesamtzusammenhänge verloren geht, fällt die Entscheidung in der entsprechenden Kostenstelle leichter zu Gunsten der vordergründig preisgünstigeren Variante, da in der betreffenden Bilanz der „Vorteil“ darstellbar ist. Die Lebensdauer, Qualität und Ersparnisse über Reinigungs- und Wartungskosten werden dabei häufig nicht adäquat bewertet, da es sich um allgemeine Erfahrungen handelt, für die es im Vorfeld und projektbezogen keine „harten“ Zahlen gibt. Damit ist eine positive Bewertung dieser sinnvollen Entscheidungskriterien schwierig und oftmals auch den beteiligten öffentlichen Entscheidungsgremien nicht zu vermitteln.
Ebenso nimmt der Druck zu, bewährte Verfahren und Arbeitsschritte aus Kostengründen auszudünnen. Das führt normalerweise zu einer niedrigeren Qualität oder einem höheren Risiko für das gewünschte Endresultat. Diese Zusammenhänge müssten vom Auftraggeber akzeptiert und bewertet werden. Aber auch bei Darstellung der technischen Zusammenhänge, hat es die nachhaltigere Lösung gegen die günstigere Alternative schwer.
Beispielsweise sind Anzahl und Aufwand von Spachtelschichten, die zur Erzielung einer porenfreien Oberfläche notwendig sind, von der Einschätzung des Oberflächenzustandes, wie dieser sich nach dem Strahlen darstellt, abhängig (Abb. 10). Oftmals ist es nicht möglich vorab intensive Beurteilungen oder gar Probestrahlungen durchzuführen, die unter der Voraussetzung homogener Untergrundqualität eine relativ genaue Aussage über den erforderlichen Gesamtaufwand erlauben. Obwohl es in diesen Fällen unseriös ist, den Minimalaufwand und damit den allergünstigsten Preis festzulegen, erwarten manche Auftraggeber eine Endsumme für eine qualitativ gute Ausführung. Eventualpositionen erschweren die vergleichende Bewertung und bergen ein Kostenrisiko. Sie sind daher nicht gern gesehen.
Die ausführenden Fachunternehmen befinden sich zunehmend in einer Zwickmühle. Einerseits müssen sie möglichst günstig anbieten, teilweise ohne ausreichende Zustandsinformationen für eine seriöse Abschätzung des Aufwandes und im Wettbewerb mit nicht zertifizierten Firmen. Andererseits soll die Qualität konform zum Regelwerk gewährleistet werden, wobei die Abschätzung des Aufwandes teilweise ohne ausreichende Zustandsinformationen erfolgen muss. Die VOB A [3] gibt in § 16 (Prüfung und Wertung der Angebote) unter Absatz 6 (Wertung) vor, dass der niedrigste Preis allein nicht entscheidend ist und unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte wie z. B. Qualität, technischer Wert, Betriebs- u. Folgekosten u. a. das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalten soll. Dieser Weg erfordert einen erhöhten Begründungsaufwand und die Entscheidungen sind u. U. im Nachhinein angreifbar. Daher wird dieser Weg häufig nicht beschritten.

Diese Praxis unterstützt nicht die Sicherung des im Regelwerk vorgesehenen Qualitätsniveaus und es ist daher für die Zukunft zu hoffen, dass sich die neuen Regelungen im Markt etablieren und nachweisbare Ausführungsqualität und technische Zweckmäßigkeit neben dem Preis zu angewendeten Vergabekriterien werden.


[1] Technische Regel – Arbeitsblatt DVGW W 300 (A) Oktober 2014
      - Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau
       - Trinkwasserbehälter; Teil 2: Betrieb und Instandhaltung
       - Trinkwasserbehälter; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung
       - Trinkwasserbehälter; Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme -
         Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle
      - Trinkwasserbehälter; Teil 5: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme -
        Anforderungen und Prüfungen

[2] Technische Regel – Arbeitsblatt DVGW W 316 (A) Oktober 2014
      Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und
      Verbesserung von Trinkwasserbehältern; Fachinhalte
 
BG RCI
Arbeitssicherheit
Zertifizierte Arbeitssicherheit nach OHSAS / SCC
HYGIENE-INSTITUT
Materialzertifizierung
Zulassung und Überwachung der eingesetzten Materialsysteme
DVGW
Kiwa
Material- sowie Verarbeiterzertifikation
VCA
Arbeitssicherheit
Betriebs und Arbeitnehmerzertifizierungen
TÜV NORD
WHG-Beschichtungen
Zertifizierung nach Wasserhaushaltsgesetz